Er möchte nicht die Welt retten. Dennoch engagiert sich Joscha Lautner für eine Neuausrichtung der Wirtschaft im Geiste der Gemeinwohlorientierung. Zusammen mit Johann Schorr gründete er vor zwei Jahren den Impact Hub München. Er unterstützt damit Menschen, die gesellschaftliche Probleme unternehmerisch lösen wollen. Mich interessiert, was ihn antreibt, unermüdlich an seinem Projekt zu arbeiten und hierfür massive Risiken einzugehen. Ein Gespräch mit einem Sozialunternehmer, der die Wirtschaft im Dienste der Allgemeinheit sieht.
Empfangen werde ich in einer 700 qm großen Halle, die mit viel Engagement und Liebe zum Detail zu einem schicken Büro-Loft umgebaut wurde. 160 Mitglieder arbeiten hier, vernetzen sich und geben ihr Wissen in verschiedenen Veranstaltungsformaten weiter. Für jedes der Mitglieder ist der Impact Hub etwas anderes. Doch für alle bietet er den Rahmen, damit Menschen zusammenfinden und ihre Wirkung maximieren.
Wir ziehen uns zurück und ich frage Joscha, was der Hub für ihn persönlich bedeutet. Die Antwort fällt ihm nicht schwer. Zuallererst einmal sieht er ihn als Herzensangelegenheit und Ausdruck dessen, was er in der Welt sehen möchte. Joscha versteht ihn als Intervention, die zeigen soll, dass wir Wirtschaft anders denken können. Ziel ist es, wieder die Bedürfnisse des Menschen und nicht die Gewinnmaximierung in den Mittelpunkt zu stellen. Mit dem Hub möchte er jedoch nicht nur darüber nachdenken, sondern auch einen lebendigen Beitrag leisten. Es geht ihm darum, ein Ökosystem für Menschen zu schaffen, die unternehmerisch denken und handeln, um ihre Vorstellungen von einer lebenswerten Gesellschaft zu verwirklichen.
Diese Art des Wirtschaftens zeigt sich auch im Finanzierungsmodell. Über Bürgschaften sind knapp 80 Unterstützer am Hub beteiligt. Hinzu kommen Nachrangdarlehen, ein Kredit der GLS-Bank und Genussrechte. Insgesamt wurde bisher knapp eine halbe Million Euro investiert. Das Besondere hieran ist, dass die lokale Community die Dienstleistungen des Hubs nicht nur in Anspruch nimmt, sondern die Gründung auch finanziell trägt. Ein Modell, das vor allem auf dem Vertrauen in die gemeinsame Sache beruht. Das Beispiel zeigt, wie die Gründer versuchen, das System eher von innen heraus zu ändern, als mit ihm zu brechen.
Unser Gespräch kommt auf Joschas Motivation, ein so großes Projekt zu schultern. Denn durch das Finanzierungsmodell trägt kein anonymer Investor das Risiko. Im Hub steckt die Community und auch das nahe Umfeld der Gründer. Zudem haben Joscha und Johann selbst investiert. Der Druck nicht zu scheitern ist enorm. In der Tat stellt sich auch Joscha immer wieder die Frage, warum er das macht. Dabei kommt er jedes Mal zur gleichen Antwort: Es fühlt sich einfach richtig an. Denn er meint es ernst, möchte wirken und sehen was er in der Gesellschaft verändern kann.
Doch was heißt das genau? Und wieso bringt es ihn dazu, ein solch hohes Risiko einzugehen? Hier hält Joscha kurz inne und fängt an, über ein Gefühl der inneren Zerrissenheit zu sprechen, das ihn seit seiner Jugend begleitet. Im Kern geht es um seinen Wunsch dazu zu gehören und gleichzeitig in seiner Andersartigkeit akzeptiert zu werden. So hatte er einerseits immer das Bedürfnis, seinen inneren Impulsen zu folgen und sich nach außen hin nicht zu verstellen. Auf der anderen Seite sind ihm Zugehörigkeit und Anerkennung wichtig. Das Gefühl der Zerrissenheit drückt sich auch in der Frage aus, ob er eher auf andere oder mehr auf sich selbst achten soll. Vor dem Spannungsfeld dieser Pole hat Joscha gelernt, sich ganz bewusst Kontexte zu suchen, in denen diese unterschiedlichen Bedürfnisse befriedigt werden und er sich einfach fallen lassen kann.
Mit dem Hub hat sich Joscha einen solchen Ort erschaffen. Denn hier kann er so sein, wie er wirklich ist und wird nicht in bestimmte Konventionen gepresst. Im selben Moment erfährt er viel Zuspruch für den unternehmerischen Mut und sein Durchhaltevermögen. Darüber hinaus kann er im Hub auch Anderen Raum für ihre Potentialentfaltung bieten und sich gleichzeitig für seine eigene Unternehmung engagieren. So transformiert Joscha seine innere Zerrissenheit zu einer wunderbaren Kraft, die ihm den Willen gibt, den Druck und das Risiko der Gründung zu tragen. Diese Kraft strahlt er auch nach außen und ermutigt damit jeden Tag auch Andere, ihre Andersartigkeit zu leben und sich für eine bessere Welt einzusetzen.
Bildquelle: ©Florian Kiel