„Wir haben die Wahl zwischen selbst gestalten oder gestalten lassen. Wir haben uns fürs Gestalten entschieden“. Mit diesem Anspruch fand Mitte Oktober zum zweiten Mal das Münchener Transformationslab statt. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe kommen Menschen zusammen, die sich aktiv über eine lebenswerte Zukunft und die dafür notwendigen Transformationsprozesse austauschen wollen. Doch wie lässt sich eigentlich über Zukunft nachdenken? Und macht es Sinn über konkrete Szenarien zu diskutieren?
In den Räumen eines grünen Energieanbieters kamen 40 Menschen verschiedener Couleur für einen Abend zusammen, um sich Gedanken über die technische und soziale Entwicklung der nächsten Jahrzehnte zu machen – auf lokaler, regionaler und globaler Ebene. In verschiedenen Formaten entspann sich ein intensiver Diskurs darüber, ob wir in Zukunft mehr oder weniger Ressourcen zur Verfügung haben, Autos nun endlich fliegen oder wie wir arbeiten und leben werden. Ausgangspunkt war die Überzeugung der Veranstalter, dass die benötigte Transformation nur gelingen könne, wenn wir es schaffen, die Menschen in den Mittelpunkt des Prozesses zu stellen. So müssten wir uns nicht nur mit Zahlen und Fakten konfrontieren, sondern uns vor allem auch emotional für die Veränderung begeistern.
An diesem Abend stellte sich mir die Frage, wie sich eigentlich über Zukunft nachdenken lässt. Nun haben Viele das Bedürfnis sich darüber auszutauschen, wie wir schon heute die Grundlagen für eine lebenswerte Welt von zukünftigen Generationen schaffen. Auf dieser Grundlage könnten wir Szenarien definieren, um dann ausgehend von diesen die Herausforderungen anzugehen, die schon jetzt absehbar sind.
Meines Erachtens macht diese Art über die Zukunft nachzudenken wenig Sinn. Neben dem Problem zu definieren, über welchen Zeithorizont wir eigentlich diskutieren, sehe ich vor allem zwei Gründe, die dagegen sprechen: Zum einen ist es keineswegs vorhersagbar vor welchen ökologischen, politischen und sozialen Fragen die Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten stehen wird und wie diese miteinander zusammenhängen. Auch die technische Entwicklung kann nicht vorausgesagt werden. So würde beispielsweise ein Durchbruch in den Technologien zur Energieerzeugung massive gesellschaftliche Veränderungen nach sich ziehen und uns vor völlig neue Fragen stellen. Auf Basis völliger Unklarheit können wir deshalb keine sinnvollen Szenarien entwickeln und Rückschlüsse auf die Gegenwart ziehen.
Zum anderen stehen wir schon im hier und jetzt vor massiven Problemen, die es zuallererst anzugehen gilt. Soziale Ungleichheit, Exklusion und globalen Probleme, wie gewaltsame Konflikte, Armut und Klimawandel, erfordern akutes Handeln. Da wir hier viel eher Wirkung entfalten können, sollten wir uns auf diese Themen konzentrieren statt über theoretische Szenarien nachzudenken.
Selbstverständlich macht es Spaß in die Ferne zu schweifen, um sich zu überlegen, wie die Welt dann wohl aussehen könnte. Mit Vorrang gilt es jedoch unsere heutigen Probleme zu lösen, denn diese betreffen uns jeden Tag. Und letztlich gestalten wir damit auch eine Welt, in der zukünftige Generationen die Möglichkeit bekommen, selbst zu definieren, was gutes Leben bedeutet und wie sie zusammen leben wollen.
Wer Lust hat weiter über das Thema zu diskutieren, kann sich noch bis 19. November zur Tutzinger Transformationstagung und zum darauf folgenden Transformationslab anmelden. Beide Veranstaltungen finden Ende November in der Evangelischen Akademie in Tutzing statt.